Dialekt oder Sprache – wo liegt die Grenze?

9. November 2025

Im Unterricht haben wir den Text „Wann wird ein Dialekt zu einer eigenen Sprache?“ behandelt. Darin wurde gezeigt, dass es unter Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie Dialekte und Sprachen voneinander abgegrenzt werden können. Laut Hadumod Bussmann ist ein Dialekt eine sprachliche Varietät mit begrenzter räumlicher Geltung im Gegensatz zur übergeordneten Standardsprache. Typisch sind eine teilweise Verständlichkeit zu anderen Systemen, eine regionale Bindung und das Fehlen einer offiziellen Schriftform. Ausserdem wurde im Text deutlich, dass auch politische und historische Faktoren den Status einer sprachlichen Varietät beeinflussen können.

Ob ein Dialekt als eigene Sprache gilt, hängt von mehreren Merkmalen ab, die sich gegenseitig beeinflussen. Ein wichtiges Kriterium ist die Standardisierung. In der Schweiz gibt es zwar viele Dialekte, aber keine gemeinsame Form von Hoch-Schwyzerdütsch, die überall gleich gilt. Schriftlich verwenden Behörden, Schulen und Zeitungen meistens Hochdeutsch, nur mit kleinen Abweichungen. Dadurch bleibt Schweizerdeutsch vor allem eine gesprochene Varietät, während Hochdeutsch als gemeinsame Standardsprache dient. Ein weiteres Merkmal ist eine einheitliche Schreibweise. Dialekte werden zwar manchmal schriftlich festgehalten, besonders in Gedichten oder Theaterstücken, aber dabei schreibt jeder so, wie es sich anhört. Da sich Dialekte oft schon von Dorf zu Dorf verändern, entstehen viele verschiedene Schreibweisen, und eine gemeinsame Norm fehlt. Bei Sprachen ist das anders, dort gibt es klare Regeln für Rechtschreibung und Grammatik. Zusätzlich spielt die gegenseitige Verständlichkeit eine Rolle, auch wenn dieses Kriterium nicht immer eindeutig ist. Zwei Personen aus weit entfernten Dialektgebieten können sich manchmal schwer verstehen, obwohl ihre Varietäten zur gleichen Sprache gehören. Gleichzeitig können Sprecherinnen und Sprecher verschiedener Sprachen sich überraschend gut verständigen, wie zum Beispiel zwischen Niederländisch und Friesisch. Entscheidend ist jedoch, dass es innerhalb eines Sprachraumes keine harten Grenzen gibt. Wenn man sich von Ort zu Ort bewegt und die Unterschiede nur langsam größer werden, spricht man von einem Dialektkontinuum. In solchen Gebieten gehen Dialekte fließend ineinander über. Zwischen Mecklenburg und dem österreichischen Burgenland würde man nur geringe Veränderungen bemerken, aber über eine Staatsgrenze hinweg treten meist deutliche Unterschiede auf. Es gibt allerdings auch Fälle ohne Kontinuum, wie zwischen Plattdeutsch und Hochdeutsch, wo der Übergang abrupt ist und man nicht einfach "ein bisschen" Platt sprechen kann.

Zusammengefasst zeigen diese Merkmale, dass die Unterscheidung zwischen Sprache und Dialekt komplex ist. Eine Sprache entsteht nicht nur durch sprachliche Eigenschaften, sondern auch durch gesellschaftliche Entscheidungen. Standardisierung, eine einheitliche Schreibweise und das Fehlen harter Grenzen im Dialektkontinuum sind wichtige Hinweise darauf, wie eine Varietät eingeordnet wird. Wenn eine gemeinsame Standardsprache akzeptiert und verwendet wird, spricht vieles dafür, die verschiedenen Dialekte einer einzigen Sprache zuzuordnen. Sprache und Dialekt lassen sich deshalb selten eindeutig trennen. Vielmehr handelt es sich um ein Zusammenspiel aus Verständlichkeit, Normierung und der Rolle, die eine Gesellschaft einer Varietät gibt. Dadurch wird deutlich, dass Sprache immer auch ein soziales und kulturelles Konstrukt ist.